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Vom anderen Ufer

oder: Markenstrategie für die Kirche

 

„Nur die Kraft und Aura einer guten Marke kann einen vor dem Ausverkauf schützen“
– Rolf Fehlbaum, Verwaltungsratspräsident der Designermöbelmarke Vitra

Wir sind umgeben und beeinflusst von erfolgreichen Marken. Die Marke Seitenbacher steht für schwäbischen Müsli-Genuss, Apple für ikonischen Luxus-Lifestyle, RTL II für gescripteten Pseudo-Alltag, Bosch für deutsche Qualitäts-Maschinen und Greenpeace für die Walrettung. Aber für was steht eigentlich die Marke Kirche? Schräge Orgelmusik? Naive Leichtgläubigkeit? Traditionsreiche Kultur? Je länger ich über diese Frage nachdenke, desto weniger Antworten finde ich. Wir sind irgendwie ein Mischwarenladen mit verschiedensten Meinungen, Vorlieben, Weltanschauungen und Prioritäten.

In der kommenden Woche wird das wieder besonders sichtbar, denn im „Landtag“ der evangelischen Kirche wird besprochen, ob gleichgeschlechtliche Paare in Zukunft auch eine kirchliche Eheschließung feiern dürfen. Bei dieser Diskussion prallen Welten aufeinander. Und das im gesamten Land. Es fliegen attackierend Bibelstellen und Schlagworte durch den Raum, es wird einander sowohl Toleranz als auch Menschlichkeit abgesprochen und es entstehen eisernere Fronten als bei Game of Thrones. So eisern, dass ich verstärkt das Gefühl habe, dass wir uns schon gar nicht mehr gegenseitig ernst nehmen. Die Menschen vom anderen Ufer der Debatte haben wir schon längst ihr „Christsein“ abgesprochen.

Dabei gibt es so viele wichtige Glaubensfragen, in denen wir uns definitiv nicht einig sind. Kleine Kostprobe gefällig?

 

Ich bin überzeugt davon, dass es noch tausend weitere Ufer unter uns Christen gibt. Und das ist auch völlig okay so, denn wir sind keine Verwaltungsgesellschaft im Auftrag der Wahrheit, sondern ein bunter Haufen an Bros und Sis’, die gemeinsam unterwegs sind. Keiner von uns hat die Wahrheit mit Löffeln gefressen, auch nicht, wenn wir versuchen, sie gehoben und gebildet mit Messer und Gabel zu schnabulieren. Und genau mit dieser Haltung sollten wir auch in theologische Diskussionen wie diese hineingehen. Diskussionen sind gut und essentiell wichtig, aber bei Diskussionen geht es nicht darum, zu gewinnen. Unsere Hauptaufgabe als Christen ist es nicht, anderen unsere eigenen Wahrheiten gewaltsam überzustülpen.

Was machen wir also in Zeiten wie diesen mit der Marke Kirche? Jesus selbst gibt da eine Spur vor:

„Daran wird jedermann erkennen, dass ihr meine Jünger seid, wenn ihr Liebe untereinander habt.“
– Jesus in Johannes 13, 35 (Luther 2017)

Auch 2000 Jahre später ist dieser platt wirkende Spruch in der Konsequenz revolutionär. Jesus ruft uns weg von unseren Ufern hinaus auf den See. Dort, wo wir nicht mehr auf festem Wissen und absolutem Wahrheitsanspruch stehen, sondern aufeinander zulaufen. Was wäre, wenn Kirche dafür stehen würde, dass Menschen mit unterschiedlicher Meinung trotzdem gemeinsam schwimmen und sich nicht nur tolerieren, sondern lieben? Ich kenne uns gut genug, um zu wissen, dass wir das nie ganz schaffen werden, aber es sollte unsere primäre Markenstrategie bleiben. Bist du mit dabei?